
Strukturanalyse italienischer Gießereien: Ein Sektor im tiefgreifenden Wandel
Die Weltwirtschaft war in den letzten Jahren von erheblicher Instabilität betroffen. Die Pandemie, die Energiekrise und geopolitische Spannungen haben Schocks ausgelöst, die die europäische Fertigungsindustrie schwer getroffen und insbesondere den Gießereisektor direkt beeinträchtigt haben.
In Italien hat sich das BIP-Wachstum nach der Erholung im Jahr 2021 aufgrund der Inflation und der sinkenden internationalen Nachfrage zunehmend abgeschwächt. In diesem unsicheren Umfeld hat sich die italienische Gießereiindustrie grundlegend gewandelt. Dies hat nicht nur ihre Absatzmärkte und ihre Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch ihre demografische Struktur beeinflusst.
Ein komplexer makroökonomischer Kontext für Gießereien
Im Fünfzehnjahreszeitraum von 2008 bis 2022 (dem aktuellen Stichtag für die Strukturdaten des italienischen Statistikamts ISTAT) war das globale Wirtschaftsumfeld von anhaltenden Krisen und tiefgreifenden Umbrüchen geprägt. Das Verständnis dieses makroökonomischen Szenarios ist unerlässlich, um die interne Dynamik des Sektors und die jüngere Geschichte der italienischen Gießereien zu interpretieren.
Der untersuchte Zeitraum durchlief mehrere kritische Phasen:
- 2008-2010 – Globale Rezession: Die Finanzkrise führte zu einem drastischen Rückgang von Nachfrage und Produktion, begleitet von erheblichen Schwierigkeiten beim Zugang zu Krediten.
- 2011-2013 – Sparmaßnahmen: Restriktive Maßnahmen haben das Wachstum weiter eingeschränkt, die Kaufkraft und die Binnennachfrage verringert und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verschlechtert.
- 2014-2017 – Allmähliche Erholung: ein stetiger Anstieg der Nachfrage, wenn auch mit ungleichmäßiger Dynamik. Gleichzeitig hat die zunehmende Digitalisierung und technologische Innovation, einschließlich Robotisierung und künstlicher Intelligenz, begonnen, die Produktionsprozesse neu zu definieren.
- 2018-2019 – Umweltbelastungen: Der Sektor sah sich mit zunehmenden Nachhaltigkeitsvorschriften konfrontiert, die erhebliche Investitionen zur Reduzierung der ökologischen Auswirkungen erforderten und die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften erhöhten.
- 2020-2021 – Pandemie: Weitere Rückschläge haben die Produktion gestoppt und Lieferketten unterbrochen, was die wirtschaftliche Erholung verlangsamt.
- 2022 – Energiekrise: Die Invasion der Ukraine hat eine beispiellose Energiekrise, Schwierigkeiten bei der Rohstoffversorgung und eine weit verbreitete Inflation bei allen Produktionskosten ausgelöst.
In diesem Kontext stellte die Energiewende mit ihren auf erneuerbare Energien ausgerichteten Strategien sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance für eine strukturelle Erneuerung dar.
Demografisches Profil italienischer Gießereien: die Zahlen des Rückgangs
Im Zeitraum von 2008 bis 2023 ging die Gesamtzahl der Gießereien deutlich und nahezu kontinuierlich von 1.225 auf 861 Unternehmen zurück. Dies entspricht einem Rückgang von 30 % bzw. 364 Betrieben weniger, mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von -2,3 %.
Der kritischste Zeitpunkt wurde 2021 erreicht, als 100 Unternehmen – 10,09 % aller Betriebe – schließen mussten. Dieser Rückgang ist auf die verzögerten Auswirkungen der Pandemie, steigende Energiekosten, Spannungen in der Lieferkette und eine instabile Nachfrage zurückzuführen.
Besonders betroffen waren Nichteisenmetallgießereien, die 88 % der Schließungen im Jahr 2021 zu verzeichnen hatten. Dieses Ergebnis lässt sich durch die branchenspezifischen Besonderheiten erklären:
- Starke Produktionsfragmentierung;
- Überwiegen von Kleinstunternehmen mit weniger als 9 Beschäftigten;
- Geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Stößen.
Der Gießereisektor für Eisenmetalle zeigte sich hingegen stabiler, dank eines bereits in den Vorjahren eingeleiteten Rationalisierungsprozesses.
Gleichzeitig ging die Zahl der Beschäftigten in diesem Sektor deutlich zurück, von 34.696 im Jahr 2008 auf 23.866 im Jahr 2023 – ein Rückgang um 31 % (10.830 Beschäftigte) und eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (CAGR) von -2,6 %. Der stärkste Rückgang wurde 2020 aufgrund der Pandemie verzeichnet (-16 %).
Auch hier verzeichnete der Nichteisenmetallsektor den deutlichsten Rückgang (-34 %) im Vergleich zum Eisenmetallsektor (-26 %). Im Fünfjahreszeitraum 2018–2023 beschleunigte sich der Rückgang der Beschäftigten mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von -4,1 %, die im Gießereisektor für Nichteisenmetalle sogar -5,8 % erreichte.
Transformation der italienischen Gießereien: weniger Unternehmen, aber stabile Durchschnittsgröße
Trotz des Rückgangs der Unternehmens- und Beschäftigtenzahlen blieb die durchschnittliche Größe italienischer Gießereien (Beschäftigte pro Unternehmen) zwischen 2008 und 2023 im Wesentlichen stabil und lag bei 28 Beschäftigten pro Unternehmen.
Diese Gesamtzahl verschleiert jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den Branchen:
- Eisengießereien: durchschnittliche Größe von 58 Mitarbeitern, was auf größere Anlagen mit höherer Produktionskapazität hindeutet;
- Nichteisenmetallgießereien: Sie beschäftigen im Durchschnitt nur 21 Arbeiter.
Unter den Nichteisenmetallgießereien weisen nur die im Segment „Sonstige Nichteisenmetalle“ klassifizierten Betriebe signifikante langfristige Veränderungen auf: Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl sank zwischen 2008 und 2023 von 22 auf 17 (-22,2 %). Dieser Trend könnte auf eine strukturelle Schrumpfung des Sektors hindeuten, bedingt durch einen Produktionsrückgang oder eine zunehmende Marktfragmentierung.
Die Konzentration von Wert in strukturierten Unternehmen
Die Strukturanalyse italienischer Gießereien verdeutlicht eine höhere Dichte der wirtschaftlichen Produktion in mittelständischen und großen Unternehmen:
- Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern: Obwohl sie nur 10 % der Gesamtzahl ausmachen, erwirtschaften sie 43 % des Umsatzes und 49 % der Bruttobetriebsmarge;
- Kleinstunternehmen (weniger als 10 Beschäftigte): Sie stellen mehr als die Hälfte aller Unternehmen (51 %) dar, tragen aber nur 5 % zum Umsatz und 4 % zum EBITDA bei;
- Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern: Sie stellen zwar nur 1 % der Gesamtbelegschaft dar, erwirtschaften aber 20 % des Umsatzes und 19 % der Wertschöpfung, wenngleich ihr Einfluss auf das EBITDA mit 13 % relativ gering ist.
Diese Daten bestätigen, dass im Gießereisektor die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stark von der Unternehmensgröße abhängt. Skaleneffekte begünstigen stärker strukturierte Unternehmen, die den Großteil der Wertschöpfung konzentrieren, obwohl sie zahlenmäßig deutlich in der Minderheit sind.
Europäischer Vergleich: Deutschland, Italien und Türkei
Das demografische Bild Italiens wird deutlicher im Vergleich zu den beiden anderen großen europäischen Gießereiproduzenten, die dem Europäischen Gießereiverband (EFF) angehören: Deutschland und die Türkei.
Die europäische Rangliste der wichtigsten Gießereiproduzenten hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert, wobei die Türkei ein starkes Wachstum verzeichnet:
2013:
- Deutschland: 34 % der gesamten EFF-Produktion
- Italien: 13%
- Frankreich: 12%
- Türkei: 10%
2022:
- Deutschland: 28% (Die Führungsposition blieb erhalten, jedoch mit reduziertem Marktanteil)
- Türkei: 21% (Frankreich im Jahr 2015 und Italien im Jahr 2018 überholt)
- Italien: 14% (dritte Stelle)
- Frankreich: 11% (vierte Stelle)
Zusammen machen diese vier Länder 74 % der Produktion von Eisen- und Nichteisengussteilen im EFF-Gebiet aus.
Drei Strukturmodelle im Vergleich
Aus Sicht der Sektorstruktur ergeben sich signifikante Unterschiede:
Anzahl der Unternehmen:
- Italien: 861 Giessereien
- Türkei: 987 Giessereien
- Deutschland: 526 Giessereien
Gesamtzahl der Beschäftigten (2023):
- Deutschland: 67.372 Mitarbeiter
- Türkei: 36.195 Mitarbeiter
- Italien: 23.866 Mitarbeiter
Durchschnittliche Größe:
- Deutschland: 128 Mitarbeiter pro Unternehmen
- Türkei: 37 Mitarbeiter pro Unternehmen
- Italien: 28 Mitarbeiter pro Unternehmen
Vorherrschende Struktur:
- Deutschland: Mittelgroße Familienbetriebe (91 % mit bis zu 500 Mitarbeitern)
- Italien: Kleinst- und Kleinunternehmen (51 % mit weniger als 10 Beschäftigten)
- Türkei: Zwischenstruktur mit Unternehmen, die etwas größer als Italien sind
Internationale Vergleiche zeigen ganz andere Muster. Deutschland hat weniger, aber größere Unternehmen mit einer deutlich höheren durchschnittlichen Produktion pro Unternehmen: ein Modell, das Skaleneffekte, Investitionskapazität und größere langfristige Stabilität begünstigt.
Italien hingegen weist eine stark fragmentierte Struktur auf: Fast tausend Gießereien mit einer durchschnittlichen Größe von nur 28 Beschäftigten. Dies beeinträchtigt die durchschnittliche Produktion pro Unternehmen, obwohl die Arbeitsproduktivität auf einem guten Niveau bleibt – ein Zeichen für Spezialisierung und Anpassungsfähigkeit.
Die Türkei, mit einer ähnlichen Anzahl an Unternehmen wie Italien, hat etwas größere Unternehmen und eine ebenso hohe Produktivität pro Mitarbeiter.
Zukünftige Herausforderungen für Gießereien: Zwischen Fragmentierung und Wachstumsbedarf
Während der Krisenjahre war und ist Italiens Zersplitterung eine Stärke im Hinblick auf Flexibilität und Nischenspezialisierung. In einer historischen Phase, die von weitreichenden Herausforderungen geprägt ist, droht sie jedoch zu einer Einschränkung zu werden:
- Grüne Transformation: Erhebliche Investitionen in ökologische Nachhaltigkeit;
- Digitalisierung: Einführung fortschrittlicher Technologien und Industrie 4.0;
- Internationaler Wettbewerb: Wettbewerbsdruck durch Schwellenländer.
Wenn es den italienischen Gießereien nicht gelingt, ihre Größe zu stärken – sei es durch internes Wachstum, Fusionen oder Partnerschaften –, wird ihre Fähigkeit, Investitionen in fortschrittliche Technologien und Nachhaltigkeit aufrechtzuerhalten, eingeschränkt sein.
Mikroökonomische Effizienz und hohe Arbeitsproduktivität sind wichtige Merkmale, die sich aus der Strukturanalyse italienischer Gießereien ergeben, doch die Dimensionalität könnte die Fähigkeit beeinträchtigen, diese Ergebnisse langfristig in systemische Wettbewerbsfähigkeit umzusetzen.
Quelle: In Fonderia – Il magazine dell’industria fusoria italiana
